Frage:

Was ist die Rolle und Funktion der Religion angesichts der  Ausbreitung des Coronavirus und seiner Konsequenzen?

Antwort:

Der Coronavirus als globale Herausforderung hat die gesamte Welt erfasst und zwingt alle Staaten dazu, sämtliche materiellen und gesundheitlichen Möglichkeiten für seine Abwehr auszuschöpfen. Zweifellos bedingt die Begegnung mit einer solchen Pandemie die Bereitstellung jedweder materieller und immaterieller Kapazitäten. Der Religion kommt im Rahmen folgender Aufgaben eine Rolle in der Gefahrenabwehr des Coronavirus zu:

Zu den bedeutendsten Aufgaben einer Religion gehört es, dem Menschen Glaubenskraft zu schenken, welche ihn zum Guten weist und ihn mit moralischer Kraft stärkt, sodass er dazu befähigt ist, einer Not mit Mut und innerer Stärke begegnen zu können. Um Krankheiten abwehren zu können, braucht ein Mensch ein starkes Immunsystem und Resilienz, wie von Ärzten und Experten betont wird. Je mehr ein Erkrankter daher einen Zustand der Gemütsruhe und Zuversicht erreicht, umso eher ist er dazu befähigt, eine Krankheit überwinden zu können. Sicherlich bleibt dabei die Notwendigkeit von Präventivmaßnahmen und (medizinischer) Behandlung bestehen. Grundlage eines gesunden Immunsystems ist ein gesundes Alltagslebens. Das umfasst Ernährung, körperliche Bewegung und Vorsorge. Zu all diesen präventiven Maßnahmen hält die Religion des Islam an. So gebietet Allah, der Erhabene, von den guten Dingen zu speisen und das Schlechte zu meiden. Allah sagte erinnernd an das, womit sämtliche Propheten entsandt und was der Prophet Muhammad, Allahs Segen und Frieden seien auf ihm, in seiner abschließenden Prophetie bekräftigte: „(…) die dem Gesandten, dem schriftunkundigen Propheten, folgen, den sie bei sich in der Thora und im Evangelium aufgeschrieben finden. Er gebietet ihnen das Rechte und verbietet ihnen das Verwerfliche, er erlaubt ihnen die guten Dinge und verbietet ihnen die schlechten, und er nimmt ihnen ihre Bürde und die Fesseln ab, die auf ihnen lagen. Diejenigen nun, die an ihn glauben, ihm beistehen, ihm helfen und dem Licht, das mit ihm herabgesandt worden ist, folgen, das sind diejenigen, denen es wohl ergeht.“ (al-ʾAʿrāf die Höhen 7:157). Ibn Kaṯīr sagte in der Erläuterung der guten und schlechten Dinge durch Tradierung einiger Gelehrter: „Alles, was Allah, der Erhabene, erlaubte, ist für den Körper und die Religiosität gut und nutzbringend. Alles, was Er verbot, ist für den Körper und die Religiosität hingegen schlecht und schädlich.“

Zu den Aufgaben der Religion gehört ebenso, hohen Wert auf sorgsame Hygiene zu legen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass es sich beim ersten Kapitel in der islamischen Normenlehre um das “Kapitel der Reinheit“ handelt. Diese bildet schließlich den Zugang zum Gottesdienst. In diesem werden zahlreiche Bestimmungen behandelt: Hierzu zählt die Ganzkörperwaschung, das Gebot der rituellen Reinigung für das Gebet durch Reinigung des Gesichts und Gliedmaßen, wie auch der Ansporn zum Waschen der Hände vor und nach dem Essen. Ebenso wies er auf den  Siwāk hin (prophetischer Hinweis dazu, die Zähne durch einen weichen Zweig zu reinigen und den Geruch im Mund angenehm zu machen). So gehört auch die in der prophetischen Tradition überlieferte Körperpflege dazu, welche zur natürlichen Veranlagung (fiṭra) gehört, wie auch der Schutz der Speise vor Verderben und Verschmutzung. Alle diese gesundheitlichen Anweisungen haben den Zweck, Hygiene zu einem allgemeinen Grundwert zu erheben, welchen der Mensch in seinem Leben umsetzt. Der Gesandte Allahs, Allahs Segen und Frieden seien auf ihm, sprach in der Überlieferung, welche al-Buḫārī über Ǧābir, möge Allah mit ihm zufrieden sein überlieferte: „Löscht die Kerzen aus, wenn ihr euch schlafen legt. Schließt die Türen, schnürt mit dem Riemen die Trinkbeutel zu und deckt Speise und Trank zu.“ In der Überlieferung von Muslim heißt es: „Es wird an keiner Schale vorbeigegangen, welche nicht zugedeckt ist, oder an einem Trinkbeutel, welcher nicht zugeschnürt ist, ohne dass auf diese die Epidemie herabkommt.“

Zweifelsfrei haben diese gesundheitlichen Anweisungen eine große Bedeutung in der Prävention von Krankheiten. Auch medizinische Kreise raten zu diesen. Wenn der Gläubige sie einhält, setzt er etwas um, was ihm gesundheitlich nützt und für ihn gleichzeitig einen Gottesdienst darstellt. Das wiederum spornt ihn dazu an, darauf größeren Wert zu legen.

Zu den religiösen Anweisungen im Falle des Aufkommens von Epidemien gehört es, gesundheitliche Vorsichtsmaßnahmen einzuhalten, welche eine Ausbreitung der Infektion verhindern. So ist in der authentischen Überlieferung durch Usāma ibn Zayd, möge Allah mit ihm zufrieden sein, vom Propheten, Allahs Segen und Frieden seien auf ihm, überliefert: „Wenn ihr von einer Seuche in einer Gegend hört, so betretet diese nicht. Und wenn sie eine Gegend erfasst und ihr euch in dieser befindet, so verlasst diese nicht.“ (Übereinstimmend von al-Buḫārī und Muslim überliefert) Diese prophetische Weisung im Falle von Epidemien lehrt den Gläubigen die Verantwortung dafür, sich selbst und andere vor Schaden zu schützen. Im prophetischen Ausspruch, der zugleich eine allgemeine islamrechtliche Norm bildet, sagte der Gesandte Allahs Muhammad, Allahs Segen und Frieden seien auf ihm: „Keinen Schaden zufügen und keinen Schaden erleiden.“ (lā ḍarar wa-lā ḍirār) (Überliefert durch Mālik in al-Muwaṭṭaʾ). Im Werk „al-Muntaqā šarḥ muwaṭṭaʾ Mālik“ heißt es in der Erläuterung der Überlieferung: „Schaden (ḍarar) ist hierbei das, worin du einen Nutzen und dein Nachbar einen Schaden hat. Schaden erleiden ist das, worin du keinen Nutzen hast und dein Nachbar darin einen Schaden erleidet. Das bedeutet – und Allah weiß es am besten – dass ḍarar das ist, worin der Mensch einen Nutzen für sich selbst bezweckt und dabei die Schädigung eines anderen bewirkt, während (ḍirār) das ist, womit er die Schädigung anderer bezweckt.“

Zu den Aufgaben der Religion in der Eindämmung des Coronavirus gehört ebenso, die Gläubigen dazu aufzufordern, die gesundheitlichen Anweisungen der entsprechenden Behörden einzuhalten. Hierdurch schützen sie sich selbst und andere. Das gehört zu dem, was die Religion begründete: nämlich die Verankerung eines Verständnisses von kollektiver Verantwortung. Diese bekräftigte der Hadith, der von einem Schiff handelte. In diesem heißt es, dass der Prophet, Allahs Segen und Frieden seien auf ihm, sagte: „Das Gleichnis jener, die die Gebote Allahs einhalten und jene, die sie verletzen, ist das Gleichnis einer Gruppe, welche die Plätze in einem Schiff auslosten. So bekamen einige das Los für das Oberdeck und andere für das Unterdeck. Als diejenigen im Unterdeck Wasser besorgen wollten, gingen sie an denjenigen vorbei, die am Oberdeck waren. Sodann sagten sie: Wenn wir an unserer Stelle [in unserem Deck] ein Loch bohrten, würden wir diejenigen über uns nicht stören. Wenn sie sie also sich selbst und ihrer Absicht überlassen, gehen sie allesamt unter. Wenn sie sie jedoch davon abhalten, werden sie errettet, sie und alle anderen.“ Überliefert von al-Buḫārī. Ebenso gehört dazu das Pflichtgefühl, diese Pandemie von jedem abzuwenden, jeder mit seinen Möglichkeiten. Diese ist von Person zu Person unterschiedlich. Ein Arzt und ein Krankenpfleger bspw. haben ihr medizinisches Gebot zu erfüllen, sowie ein Forscher das Gebot hat, sich darin zu bemühen, neue Medikamente und Impfstoffe zu entwickeln. Jedem Menschen obliegt es, hilfsbedürftige Schwache und Senioren zu unterstützen. Finanzkräftige Personen sollen einen Teil ihres Vermögens spenden, um Forschung voranzutreiben und die Bedürfnisse der Menschen zu erfüllen. Jeder Mensch hat sich dabei bewusst zu sein, dass die Hilfe von Menschen zu den größten Wohltaten gehört, mit der man sich Allah nähern kann. In der ehrenwerten Überlieferung des Propheten Muhammad, Allahs Segen und Frieden seien auf ihm, heißt es, als ihn jemand nach den bei Allah beliebtesten Menschen fragte und er hierauf antwortet: „Der bei Allah beliebteste Mensch ist der, der den Menschen am nützlichsten ist.“ Dieser wurde als ḥasan (guter) Hadith von Ibn Abī ad-Dunyā, aṭ-Ṭabarānī und anderen überliefert.

Was den Menschen an Katastrophen und Prüfungen widerfährt, soll sie an Allah erinnern. Es ist an ihnen, zu Ihm zurückzukehren, an Ihn zu glauben und sich Ihm zu unterwerfen, damit Er sie von dem befreit, was Ihnen widerfahren ist: „Wir werden sie ganz gewiß etwas von der diesseitigen Strafe vor der größeren Strafe kosten lassen, auf daß sie umkehren mögen.“ (as-Saǧda/die Niederwerfung 32:21). Der Weg der Rückkehr ist der der Unterwürfigkeit Allah gegenüber. Allah sagte: „Wenn sie doch nur, als Unsere Gewalt über sie kam, unterwürfig gefleht hätten!“ (al-Anʿām/das Vieh 6:43).

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