Frage:

Ist es in Anbetracht der Aussetzung der Gebete in den Moscheen möglich, das Freitagsgebet mit einer Gruppe von drei oder mehr Personen zuhause oder auf der Arbeit abzuhalten? Jemand von ihnen würde ihnen vorstehen, die Predigt halten und anschließend verrichten sie zwei Rakʿa [Gebetseinheiten]. Oder ist das Freitagsgebet etwa nur in den Moscheen zulässig?

Antwort:

Das Freitagsgebet zuhause auf die genannte Weise zu verrichten ist islamrechtlich unzulässig. Das Gebot des Freitagsgebet entfällt dadurch nicht. Das islamrechtliche Gebot bedingt hier zuhause zu bleiben um sich und andere zu schützen.

Das Mittagsgebet ersetzt das Freitagsgebet, unabhängig von der Dauer der Aussetzung. Die Erleichterung besteht schließlich, solange ihre Ursache vorhanden ist. So lautet die Fatwa der meisten Fatwa-Gremien in der islamischen Welt und die der meisten zeitgenössischen Rechtsgelehrten. 

Folgendes ist der Beleg für die Ungültigkeit des Freitagsgebets zuhause:

Erstens: Der Grundsatz beim Freitagsgebet ist es, dass diese ein tauqīfī Gottesdienst ist [eine Handlung, deren präzise Ursache durch die Vernunft nicht erschlossen werden kann. Ihr Zweck ist es, den Dienerstatus vor Allah zu zeigen.] Der Prophet, Allahs Segen und Frieden seien auf ihm sagte: „Betet, so wie ihr mich beten gesehen habt.“ Der Prophet – Allahs Segen und Frieden seien auf ihm – betete das Freitagsgebet auf eine spezifische Weise und Form. Durch seine Handlung zeigte er detailliert auf, was im edlen Koran als „zum Freitag eilen“ zusammengefasst wurde. Auch unterließ er das Freitagsgebet in anderen Situationen, obwohl er in der Lage gewesen wäre dieses zuhause zu verrichten. Es ist islamrechtlich unvorstellbar, dass der Prophet das Freitagsgebet unterlässt, obwohl es ihm geboten wurde. Ferner ist es weder von ihm – Allahs Segen und Frieden seien auf ihm – , seinen Gefährten oder den ihnen Nachfolgenden überliefert, dass sie es auch nur ein Mal auf eine andere Weise als der rechtsgültigen, nachzuahmenden verrichteten, obwohl sie die Möglichkeit dazu gehabt hätten. Aus diesem Grund pflegten die Bewohner der Anhöhen [Außenbezirke von Medina] zur Zeit des Propheten – Allahs Segen und Frieden seien auf ihm – ihre Moscheen am Freitag zu schließen, um in der Moschee des Propheten – Allahs Segen und Frieden seien auf ihm – zu beten. Es wurde ihnen nicht gestattet, dieses in ihren Häusern oder Moscheen zu verrichten.

Zweitens: Das Freitagsgebet gehört zu den Riten Allahs. Dies impliziert Öffentlichkeit bzgl. Information und Örtlichkeit, damit die Menschen an diesem teilhaben. Dieses nun zuhause zu verrichten steht dem entgegen. Deshalb wurde von den Gelehrten, die das Freitagsgebet in der Moschee an sich nicht voraussetzten, zur Bedingung gemacht, es an einem bekannten, für das Gemeinschaftsgebet vorgesehenen Ort zu verrichten. Hierdurch würde sich einer der größten Zwecke des Freitagsgebets verwirklichen, nämlich die Zusammenkunft der Muslime. 

Drittens: Die Aussage, das Freitagsgebet zuhause verrichten zu können stützt sich auf die Meinung der hanafitischen Rechtsschule bezüglich der Mindestzahl an Personen, die für das Zustandekommen des Freitagsgebets notwendig ist. Diese Herleitung ist solange inkorrekt, bis die übrigen Bedingungen der Hanafiten ebenso berücksichtigt werden. Diese sind unter anderem, dass sie durch an einem für alle Menschen bekannten, öffentlichen Ort stattfindet und allen ankommenden Menschen die Teilnahme ermöglicht ist. Unter keinen Umständen ist dass in [geschlossenen] Wohnräumen der Fall. 

Ferner basiert die Verifizierung des Freitagsgebets zuhause auf einem talfīq [Zusammensetzung/Kombinatorik einer Rechtsbestimmung aus Elementen entsprechender Bestimmungen verschiedener Rechtsschulen.]. Die Bedingungen keiner einzigen Rechtsschule werden dadurch eingehalten. Zudem führt es zu einer Form des talfīq, welche von den Gelehrten der Rechtstheorie zurückgewiesen wird.

Viertens: Es gilt die Rede des Propheten – Allahs Segen und Frieden seien auf ihm – : „Wer in dieser unseren Angelegenheit etwas fremdes einbringt, so wird es zurückgewiesen.“ Überliefert von al-Buḫārī und Muslim. Das Freitagsgebet in Wohnräumen zu verrichten ist eine illegitime erneuernde Meinung, die nie in der Geschichte von jemandem vertreten wurde, trotz Seuchen und Pest. Ein neues Ereignis erfordert nicht das Erfinden einer neuen Form des Freitagsgebets, welches niemand bisher vertrat. Die Aussetzung des Freitagsgebet hat schließlich mehrere Male in der Geschichte des Islam stattgefunden. Niemand äußerte dabei die Meinung, das Freitagsgebet auf eine andere Weise als der zu verrichten, welche in der prophetischen und der ihr folgenden Epoche Anwendung fand. Zu den Ereignissen, in denen das Gemeinschafts- und Freitagsgebet ausgesetzt wurde gehört zum Beispiel, was aḏ-Ḏahabī erwähnte: „Die Hungersnot in Ägypten und Andalusien war sehr groß. Keine Hungersnot und keine Seuche war in Córdoba so schwer gewesen wie diese. Die Moscheen blieben geschlossen, keiner hat in diesen gebetet. Das Jahr wurde als das große Hungerjahr benannt.“ (Siyar aʿlām an-Nubalāʾ, Bd. 13, S. 438). Al-Maqrīzī erwähnte folgendes: „Die Feste und Hochzeiten wurden so umfassend ausgesetzt, dass man während der Seuchenzeit weder einen Gesang noch von einer Feier hörte. Der Gebetsruf wurde an vielen Orten ausgesetzt und nur an einem Ort fortgeführt, der als „der einzige Gebetsruf“ bekannt wurde. Die meisten Moscheen und Zawāyā [spirituelle Rückzugsorte] wurden geschlossen.“ (as-Sulūk li-maʿrifat Dual al-Mulūk, Bd. 4, S. 88). Über das Jahr 827 n.H. schreibt Ibn Ḥaǧar: „Zu Beginn dieses Jahres ereignete sich in Mekka eine große Seuche, sodass jeden Tag 40 Menschen starben. Im Monat Rabīʿ al-Awwal [dritter Monat des islamischen Kalenders] wurde die Zahl der bisher Verstorbenen auf 1700 beziffert. Es wird gesagt, dass mit dem Imam des Maqām (heilige Stelle bei der Kaaba) nur zwei Personen beteten. Die übrigen Imame setzten ihr Gebet aus, weil niemand mit ihnen betete.“ (Inbāʾ al-Ġumr bi-Abnāʾ al-ʿUmr, Bd. 3, 326).

Fünftens: Die Mehrheit der Rechtsgelehrten untersagt es, mehrere Freitagsgebete in einer einzigen Gegend abzuhalten. Der Zweck davon ist die Verwirklichung der Zusammenkunft, was einen Wert darstellt. Viele Freitagsbete durch zahlreiche Moscheen abzuhalten steht diesem Wert entgegen. Imam Taqiyy ad-Dīn as-Subkī hat hierfür eigens ein Traktat verfasst mit dem Titel: „Das Festhalten am Einen Einzigen davor, zwei Freitagsgebete an einem Ort zu verrichten“. Er erwog die Meinung, welche das mehrfache Freitagsgebet nicht zulässt, es sei denn bei dringendem Bedarf. In seinem Traktat heißt es: „Sich jedoch vorzustellen, dass dies [d.h. mehrere Freitagsgebete gleichzeitig abzuhalten] in sämtlichen Moscheen ohne vorliegenden dringenden Bedarf zulässig sei, ist zwangsläufig eine Verwerflichkeit in der Religion des Islam.“ (Fatāwā as-Subkī, Bd. 1, S. 180). Was würde er dann wohl zu parallel laufenden Freitagsgebeten zuhause meinen? Wenn die Rechtsgelehrten es nun untersagen, in einer Gegend mehrere Freitagsgebete abzuhalten, obwohl sie in einer Moschee in Anwesenheit eines Imam und einer großen Zahl von Menschen abgehalten wird, würden sie dann noch das mehrfache Verrichten des Freitagsgebets zuhause ohne Imam und mit nur drei Personen zulassen, sodass eine unzählbare Menge an Freitagsgebeten abgehalten wird, welche in die Tausende gehen kann? Ist es mit der Vernunft noch vereinbar, dass zehn Freitagsgebete in ein und demselben Gebäude stattfinden?

Sechstens: Die Fundierung der zulassenden Meinung auf Not ist inkorrekt. Eine Not (ḍarūra) bedingt schließlich, dass sich das Gebot grundsätzlich an den Rechtsmündigen richtet. Korrekt ist jedoch das Entfallen der Verpflichtung aufgrund der Pandemie. Diese entfällt schließlich durch kleinere Hinderungsgründe wie Regen. Zu den Konsequenzen der Meinung, welche das Verrichten in den Wohnräumen zulässt gehört, dass Menschen dieses nach Ende der Epidemie wohl weiterhin fortführen und den Gang zur Moschee geringschätzen werden. Insbesondere gilt das aufgrund des Umstands, dass die zulassenden zeitgenössischen Gelehrten ihre Meinung nicht auf die Epidemie gründeten, sondern auf allgemeine islamrechtliche Meinungen, welche pauschal für alle Umstände gelten.

Siebtens: Die Gelehrten wogen zwischen dem Freitagsgebet und dem Tag von ʿArafa ab. Dies taten sie nur, weil sie beide die Zusammenkunft und das Bittgebet vereint. So sagte Ibn al-Qayyim: „Das Freitagsgebet gehört zu den zentralsten Pflichten des Islam und stellt eine der bedeutendsten Versammlungen der Muslime dar. Es ist bedeutender und gewichtiger als jede andere Versammlung, mit Ausnahme von ʿArafa.“ Wäre es dann noch zulässig, eine Pflicht solchen Ranges mit drei Personen zuhause zu verrichten?

Das Freitagsgebet gehört in ihrer wohlbekannten Form und den gesetzten Bedingungen zu den Dingen, mit denen sich der Islam rühmt und stellt eine Gunst Allahs an den Muslimen dar. Ibn al-Qayyim erwähnte in seinem Buch „Zād al-Miʿād“ , dass das Freitagsgebet 33 Vorzüge gegenüber anderen Gebeten aufweist. Zu diesen zählt unter anderem die Zusammenkunft, die festgelegte Zahl, die Ansässigkeit als Bedingung usw. Das Gebet zuhause für zulässig zu erklären wäre Grund dafür, diese Vorzüge und Sonderstellung des Freitagsgebets zu versäumen. Es ist an den Imamen und der Allgemeinheit der Muslime, an ihrer islamrechtlich definierten Form und Weise festzuhalten und sie nicht durch andere Formen auszutauschen, welche die früheren Rechtsgelehrten in keiner Weise meinten. Es sind Rechtsmeinungen, die das erschweren und einschränken, was Allah leicht und großzügig gestaltete.

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