Frage: 

In sozialen Medien haben sich Aufrufe zu Gottesdiensten verbreitet, in denen Zeiten bestimmt werden, um darin für das Ende der Plage zu bitten. So werden beispielsweise bestimmte Tage zum Fasten oder Nächte zum Gebet oder Stunden zum Bitten um Vergebung festgelegt. Ist das islamrechtlich zulässig, oder handelt es sich hierbei um eine verbotene Erneuerung?   

Antwort:

Wenn dem Muslim eine Angelegenheit widerfährt, die ihn erschrecken lässt, eilt er zum Gebet, dem Bittgebet und fleht Allah den Erhabenen an: „Doch warum zeigten sie keine Demut, als Unser Schlag über sie kam? Nein, ihre Herzen wurden hart, und der Satan betörte sie mit dem, was sie taten.“ (al-ʾAnʿām/das Vieh 6:43). Auch sagte der Prophet, Allahs Segen und Frieden seien auf ihm: „Die Sonne der Mond sind zwei Zeichen Allahs. Sie werden weder wegen des Todes oder der Geburt eines Menschen finster. Wenn ihr also so etwas seht, dann bittet Allah, rühmt Ihn, betet und spendet.“ (Überliefert von al-Buḫārī.) Sowie nun die Sonnen- und Mondfinsternis Zeichen Allahs sind, welche Beleg für Seine Macht sind, so sind Seuchen und sämtliche Krankheiten Zeichen Allahs, des Erhabenen. Wenn nun dem Menschen aufgetragen wird, bei Mond- oder Sonnenfinsternis zum Gebet zu eilen, ist es ebenso seine Pflicht, bei Aufkommen von Seuchen und anderem Unheil zu Allah zurückzukehren. Muslime zum Gebet, aufrichtigen Bittgebeten sowie der Bitte um Vergebung bei solchen Katastrophen aufzurufen ist eine zulässige Angelegenheit, welche der edle Koran auferlegte: „Und sucht Hilfe in der Standhaftigkeit und im Gebet! Es ist freilich schwer, nur nicht für die Demütigen,“ (al-Baqara/die Kuh, 2:45). „O die ihr glaubt, sucht Hilfe in der Standhaftigkeit und im Gebet! Allah ist mit den Standhaften.“ (al-Baqara/die Kuh, 2:153).

Es gibt keinen Textbeleg der es verbieten würde, sich gegenseitig dazu einzuladen und zu erinnern, einen Gottesdienst zeitgleich mit der Absicht zu verrichten, um für das Ende der Plage zu bitten. Die Gelehrten der islamischen Rechtstheorie begründeten, dass es zulässig ist, zu einer festgelegten Zeit Gottesdienste zu verrichten, welche unabhängig und allgemeiner Natur sind, wie das beim Nachtgebet, Gedenken Gottes (ẓikr) und Bittgebete der Fall ist. Bedingung ist, dass ein Gottesdienst auf diese Weise einen eigenen Vorzug hätte, nicht zur Überzeugung werden darf.

Zu den Texten aus der islamischen Normenlehre, welche die Zulässigkeit dessen belegen, gehört die Aussage des hanafitischen Rechtsgelehrten ʿAlī al-Qārī: „Die Menschen verrichten bei starkem Licht in der Nacht das Gebet jeweils einzeln, […] sowie das auch für starke Dunkelheit am Tage, Starkwind, Erdbeben, Blitzen, anhaltendem Schnee und Regen, Epidemien und Angst vor Feinden gilt.“ (ʿAlī al-Qārī: Fatḥ bāb al-ʿInāya, Bd. 1, S. 348). Der Historiker Šamsuddīn Muḥammad ibn ʿAbd ar-Raḥmān al-Qurašī ad-Dimašqī aš-Šāfiʿī (gest. Nach 780 n.H.) erwähnte in seinem Buch „Die Heilung des trauernden Herzens durch Verdeutlichung dessen, was mit Seuchen zusammenhängt“, dass sich im Jahre 764 n.H. eine große Seuche ereignete, sodass „die Menschen dadurch großartige Wohltaten verrichteten, wie die Nacht durch Gebet verbringen, den Tag über zu fasten, spenden und Buße zu tun.“