Der European Council hat sich mit der Angelegenheit befasst, die in Europa und allgemein in der westlichen Welt ein weit verbreitetes Problem darstellt, und zwar das der Eigenheime, die durch einen Zinskredit konventioneller Banken erworben werden.

Dem European Council wurden mehrere Papiere bezüglich dieses Themas eingereicht, sowohl von Befürwortern wie auch Opponenten. Sie wurden dem European Council verlesen, woraufhin alle Mitglieder diese ausführlich ausdiskutierten. Die Mehrheit der Mitglieder des European Council kamen demnach zu folgendem Beschluss:

  1. Der European Council bekräftigt den Konsensus der Umma bezüglich des Der Zins gehört zu den „Sieben Zugrunderichtenden“ und schwerwiegenden Sünden, die einen Krieg Allahs und seines Propheten veranlassen. Auch bestätigt der European Council das, was die islamischen Rechtsgremien beschlossen, nämlich dass die sogenannten „Bankenprofite“ die verbotenen Zinsen sind.
  1. Der European Council fordert die Muslime in Europa dazu auf, sich in der Findung islamrechtlich zulässiger Alternativen in jeder ihnen möglichen Weise zu bemühen, in welchen es keine Ungewissheit gibt. Als Beispiel dazu dient der Gewinnverkauf (Bayʿ al-Murābaḥa[1]), welcher bei den islamischen Banken Anwendung findet. Ebenso zählt dazu die Gründung von islamischen Unternehmen, die solche Immobilien unter erleichterten und für die Mehrheit der Muslime erschwinglichen Konditionen erbauen (lassen), usw.
  1. Ebenso ruft er die islamischen Institutionen in Europa dazu auf, mit den konventionellen europäischen Banken zu verhandeln, damit jene Geschäftsform in eine islamrechtlich akzeptierte Form umwandeln. Zu diesen gehören z.B. der Ratenkauf (Bayʿ at-Taqṣīṭ), bei dem der Preis im Gegenzug zur Fristverlängerung erhöht wird. Dies würde dazu führen, dass sie eine große Zahl von Muslimen gewinnen, die mit ihnen auf Basis dieser Methode geschäftlich verkehren würden. In einigen Ländern Europas findet dies bereits Anwendung. Wir haben gesehen, dass es auch mehrere große westliche Banken gibt, die eigene Niederlassungen in arabischen Staaten gründen und auf Grundlage des Islam geschäftlich verkehren, wie u.a. in Bahrain.
  1. Ist weder das eine noch das andere in der jetzigen Zeit möglich, so sieht der European Council im Lichte der islamrechtlichen Quellen, Grundlagen sowie zu berücksichtigenden Aspekte keinen Einwand darin, zu diesem Mittel zurückzugreifen: Nämlich, dass ein Muslim einen Zinskredit wahrnimmt, um ein Eigenheim zu kaufen, welches er selbst mitsamt seiner Familie bewohnt. Dies unter der Bedingung, dass der Kreditnehmer über kein weiteres Eigenheim verfügt, welches ihm genügen würde. Ebenso hat dieses Eigenheim sein Hauptwohnsitz zu sein, sowie er über kein Kapital verfügen darf, das ihm ermöglicht, das Eigenheim ohne Verwendung dieses Mittels zu erwerben.

Der wesentliche Pfeiler, auf den sich der European Council hierbei stützt, ist die Regel: „Die Notwendigkeit erlaubt das Verbotene“.

Diese ist eine Regel, über die es Übereinstimmung gibt, und welche aus dem Koran an fünf Stellen abgeleitet wurde. Dazu gehört: „wo Er euch doch ausführlich dargelegt hat, was Er euch verboten hat, außer dem, wozu ihr gezwungen werdet?“ (al-Anʿām 6:119). In derselben Sure sagt Allah, nachdem Er das Verbotene der Speisen nannte: „Wer sich aber in einer Zwangslage befindet, ohne zu begehren oder das Maß zu überschreiten, – so ist dein Herr Allvergebend und Barmherzig“ (al-Anʿām 6:145). Die islamischen Rechtsgelehrten sind außerdem zum Entschluss gekommen, dass der Bedarf (al-Ḥāǧa) in manchen Fällen den Rang der Notwendigkeit (aḍ-Ḍarūra) einnehmen kann, sei der Bedarf nun individuell oder öffentlich.

Der Bedarf (al-Ḥāǧa) ist das, was bei Nicht-Erfüllung den Muslim in Bedrängnis bringt, auch wenn er trotz dessen leben kann. Dies steht im Gegensatz zur Notwendigkeit, ohne die er nicht im Stande ist zu leben.
Allah der Erhabene hat von dieser Umma die Bedrängnis aufgehoben, wie dies durch die Textbelege des Koran bestätigt ist. So spricht Allah in Sure al-Ḥaǧǧ: „Und Er hat euch in der Religion keine Bedrängnis auferlegt“. (al-Ḥaǧǧ 22:78). In Sure al-Māʾida heißt es: „Allah will euch keine Bedrängnis auferlegen.“ (al-Māʾida 5:6).

Das Eigenheim also, das vom Muslim die Bedrängnis abwendet, ist jenes, welches passend für ihn hinsichtlich seines Standorts, seiner Größe und seiner Mitbewohner ist.

In Anbetracht dessen, dass der European Council die Regel der Notwendigkeit bzw. des Bedarfs anwendet, welcher den Rang der Notwendigkeit einnimmt, so lässt er nicht jene Regel außer Acht, welche diese reguliert. Diese besagt, dass was aufgrund einer Notwendigkeit zugelassen wird, maßvoll zu bemessen ist (mā ʾubīḥa li-ḍ-Ḍarūra yuqaddaru bi-qadarihā). Der Bedarfsrahmen darf durch diese daher nicht überschritten werden.

Zweifellos stellt das Zuhause für den einzelnen Muslim und die muslimische Familie eine Notwendigkeit dar. Allah der Erhabene ließ dies eine Gunsterweisung Seiner gegenüber Seinen Dienern sein als Er sagte: „Und Allah hat euch aus euren Häusern eine Ruhestätte gemacht.“ (an-Naḥl 16:80).

Der Prophet, Allahs Segen und Frieden seien auf ihm, machte das großräumige Heim zu der vier Komponenten der Glückseligkeit.[2]

Das gemietete Eigenheim aber kommt nicht jedem Bedürfnis des Muslims nach, wie auch gibt es ihm nicht das Gefühl der Sicherheit. Darüber hinaus kostet es ihn viel Geld, was er an andere bezahlt. Hierbei begleicht er die Miete für eine lange Zeit, ohne dass er schlussendlich auch nur einen einzigen Stein davon besitzt.  Trotz alledem verbleibt er anfällig für den Rauswurf aus diesem Eigenheim, wenn bspw. seine Familie wächst oder sich seine Besucher häufen. Dramatischer ist der Fall, wenn er ein hohes Alter erreicht, sein Einkommen sinkt oder versiegt und er keinen Zufluchtsort findet.

Neben diesem individuellen Bedarf jeden Muslims, existiert ebenso der allgemeine Bedarf für die Gemeinschaft der Muslime, welche als [religiöse] Minderheit in Europa leben. Dieser Bedarf verkörpert sich in der Verbesserung ihrer Lebensumstände. Damit steigt ihre Lebensqualität, sodass es ihnen wahrhaft gebührt, der besten Gemeinschaft, die der Menschheit entsandt wurde, anzugehören. Ebenso ermöglicht es ihnen, den Nicht-Muslimen gegenüber ein strahlendes Bild vom Islam zu geben. Das verkörpert sich auch darin, dass sie sich vom wirtschaftlichen Druck freimachen, sodass sie die Implikationen der positiven Staatsbürgerschaft ihrer Religion und Gesellschaft gegenüber erfüllen and an der Gesamtgesellschaft partizipieren können. Dies bedingt, dass der Muslim nicht sein Leben lang für die Bezahlung seiner Wohnungsmiete und seiner Lebenshaltungskosten ackern muss, ohne dabei die Möglichkeit zu finden, seiner Gesellschaft zu dienen oder seine Daʿwa zu verbreiten.

Die zulassende Meinung für den genannten Fall wird dadurch konsolidiert, dass der Muslim beim Rückgriff auf diesen Vertrag keine Zinsen nimmt, sondern diese von ihm genommen werden. Der Grundsatz im Verbot ist, dass dieses sich primär auf das “Verschlingen von Zinsen” bezieht, wie die Verse des Koran dies explizierten. Das Verschlingen ist an und für sich verboten und unter keinen Umständen zulässig. Das Verschlingen lassen jedoch, welches in der Sunna erwähnt wurde, ist um die [verbotenen] Mittel zum Verschlingen von Zinsen zu versperren (sadd aḏ-Ḏarāʾiʿ), sowie seine Verschriftlichung und die Zeugenschaft für ihn verboten wurden. Sein Verbot ist also von der Kategorie des Verbietens der Mittel, nicht des Verbietens der Zwecke.

Zu den bekannten [islamrechtlichen] Regeln gehört hier: Dass was an und für sich verboten wurde, nur bei Notwendigkeit zugelassen wird. Was hingegen verboten wurde, um [verbotenen] Mitteln den Weg zu versperren, wird bei Bedarf erlaubt. Ebenso gehört zu diesen, dass die Mittel-Verbote durch den überlegenen Nutzen (maṣlaḥa rāǧiḥa) zugelassen wird.

Die Rechtsgelehrten haben dies explizit formuliert. Aus diesem Grunde erlaubten sie die Aufnahme eines Zinskredits bei Bedarf (ḥāǧa), wenn sich alle anderen islamrechtlich zulässigen Türen für einen Muslim schließen.

(Die 4. Konferenz fand vom 27.-31. August 1999 statt.)

* Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Text verallgemeinernd das generische Maskulinum verwendet.
[1] An.d.Ü.: Bei diesem Kaufvertrag wird ein Gegenstand für seinen ursprünglichen Kaufpreis mit Aufschlag weiterverkauft.
[2] Es ist ṣaḥīḥ von Saʿd ibn ʾAbī Waqqās überliefert, er sagte: Der Gesandte Allahs, Allahs Segen und Frieden seien auf ihm sagte: “Vier Dinge gehören zur Glückseligkeit: Die rechtschaffene (Ehe-)Frau, das weiträumige Haus, der rechtschaffene Nachbar, sowie das angenehme Reittier. Und vier Dinge gehören zum Elend: Der üble Nachbar, die üble (Ehe-)Frau, das beengte Heim, und das schlechte Reittier.” Überliefert von Ibn Ḥibbān in seinem “Ṣaḥīḥ” (Nr.: 4032). Der ʾisnād des Hadith ist ṣaḥīḥ.