Frage:

Ist es im Hinblick auf die aktuelle Krise wegen der Corona-Pandemie und der daraus resultierenden wenigen Spenden für Moscheen und gemeinnützige islamische Institutionen zulässig, einen Zinskredit in Anspruch zu nehmen anstelle eine Insolvenz anzumelden? Der Zinssatz beträgt nur 1-2%.

Antwort:

Über einen Kredit mit verbotenem Zins, ganz gleich wie hoch dieser anfallen sollte, sagt Allah: „Doch wenn ihr bereut, dann steht euch euer (ausgeliehenes) Grundvermögen zu; (so) tut weder ihr Unrecht, noch wird euch Unrecht zugefügt.“ (Sure al-Baqara/die Kuh, 2:279). Der Grund für die finanziellen Engpässe islamischer Institutionen im Westen ist die Vernachlässigung einer bedeutenden und traditionsreichen Institution: nämlich die Stiftung. Bei dieser veranlasst der Stifter durch sein gestiftetes Vermögen und die hinzugefügten Spenden seitens Dritter die Gründung eines Investitionsprojekts, das ein stabiles und sicheres Einkommen generiert. Das gewährleistet der jeweiligen islamischen Institution Beständigkeit und Unabhängigkeit, welche durch eventuell veränderte Umstände der Spender und der jeweiligen Wirtschaftslage – wie die aktuelle Epidemie – unberührt bleibt. Die Stiftung bildet die beste islamrechtlich einwandfreie Alternative, um islamische Institutionen zu schützen.

Kurzfristig betrachtet und angesichts der Möglichkeit, dass einigen islamischen Institutionen – wie Moscheen und Schulen – die Schließung droht, ist es für diese zulässig, Zinskredite aufzunehmen. Das bildet eine Ausnahme und Notlage und ist keine generelle Erlaubnis. Als Allah den Verzehr von Schweinefleisch verbot, sprach Er, erhaben ist Er: „Wer sich aber in einer Zwangslage befindet, ohne zu begehren oder das Maß zu überschreiten, für den ist es keine Sünde. Allah ist allvergebend und barmherzig.“ (Sure al-Baqara/die Kuh, 2:173). Vor der Kreditaufnahme hat die islamische Institution nach Alternativen zu suchen. Dazu gehört bspw. die Möglichkeit, dass der Staat für die Gehälter der Angestellten vollständig oder überwiegend aufkommt. Ebenso sind dazu zinslose Kredite zu zählen, die von Wohlhabenden gewährt werden.

Das geringste Übel liegt in der Form, in welcher die islamische Institution im Rahmen eines staatlichen Programmes entweder einen zinsfreien Bankkredit oder einen verlorenen Zuschuss aufnimmt. In der Regel wird im Gegenzug verlangt, die Angestellten weiter zu beschäftigen oder andere verwaltungstechnische Bedingungen zu erfüllen. Einige europäische Staaten und US-amerikanische Bundesstaaten haben das in dieser Krise möglich gemacht. Hier ist es für die Institution zulässig, den Kredit unter Berücksichtigung der vereinbarten Bedingungen aufzunehmen, sodass die Zinsen entfallen. 

Die nächste Stufe ist jene, bei welcher die jeweilige islamische Institution den Zins zurückzahlt und der Staat für den eigentlichen Kreditbetrag aufkommt. Auch dieses Modell hat in einigen europäische Staaten und den USA Anwendung gefunden. Sie ist ebenso mit der Absicht zulässig, einen Teil des Kredits zurückzuzahlen, wie wenn der Kreditgeber auf den Rest verzichte. In jedem Fall ist nämlich der zurückgezahlte Betrag geringer als der eigentliche Kreditbetrag.

Die Fälle, in denen der Kreditzins mehr als 0% beträgt, müssen entsprechend der jeweiligen Not beurteilt werden. Je geringer der Zins ausfällt (in Deutschland, Spanien und Kanada beträgt dieser aktuell teilweise 1%), desto geringer das Übel der Erleichterung. Hier ist die Überschneidung von Zinsen und Verwaltungskosten zu berücksichtigen.

Der European Council appelliert an alle vermögenden Muslime, ihren Institutionen Geld zu spenden und dabei nicht knauserig zu sein. Dadurch können diese ihre aktiven Aufgaben erfüllen, die die islamische Gemeinde im Westen braucht. Ebenso appelliert er an die islamischen Finanzinstitute, ihre Aufgabe durch zinslose Darlehen (qarḍ ḥasan) zugute der islamischen Institutionen so gut es geht wahrzunehmen, welche Schaden erlitten. Auch haben sie die Möglichkeit, mit jenen gemeinnützigen islamischen Institutionen eine Teilhaberschaft einzugehen, welche Einnahmen erzielen. Dazu gehören beispielsweise Schulen und Schlachthöfe. Gewinn und Verlust werden dann gleichermaßen getragen.

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